Meine ec-Karte wird alt. Vielleicht hab ich mich zu fest draufgesetzt, vielleicht hat die Bahncard nebenan sie misshandelt – auf jeden Fall zeigt sie zunehmend deutlicher werdende Spuren physischer Desintegration. Will heißen, abgebrochene Ecke, die bedruckte Folienschicht löst sich ab, ein Knick quer durch den Magnetstreifen. So langsam will selbst der Leser im Supermarkt nichts mehr von ihr wissen. Ich brauche eine neue ec-Karte.
Anruf bei der Bank…
Ich: Guten Tag, <mein Name>, ich hab ein Konto bei Ihnen, meine ec-Karte löst sich auf, ich brauche eine neue.
Anhand meiner bisherigen Erfahrungen mit dieser Bank (“Guten Tag, ich will ein Konto eröffnen” – “Könnten Sie morgen nochmal wiederkommen, der Kollege, der weiss wie das geht, ist heute nicht da”), hatte ich ja schon befürchtet, dass man dafür kein Kreuzle im Formular hätte oder ich zumindest persönlich vor Ort erscheinen müsse – aber der Kundenservice ist kompetenter und flexibler geworden. Natürlich lässt man sich das was kosten.
Bank: Können wir machen, das kostet dann aber 10 Euro Gebühr, weil das muss dann extra gemacht werden. Und sie bekommen eine neue PIN.
Hmpf. Die alte Karte wäre in einem Jahr abgelaufen, dann bekäme ich kostenlos ne neue mit gleicher PIN. Naja gut, 10 Euro sind nicht die Welt. Hoffentlich hält die nächste länger…
Ich: Ok.
Bank: Ich bräuchte dann mal ihre Kontonummer…
Ich: <Kontonummer>. Wie lang dauert das denn etwa?
Bank: Das muss jetzt extra gemacht werden, das wird ihnen in 7 Tagen zugeschickt.
Ich: Nur noch zur Sicherheit: Welche Adresse haben Sie da gespeichert?
Bank: <meine Adresse>
Ich: Ok, die stimmt – Danke.
Erstmal bin ich doch beeindruckt, dass das so unbürokratisch und schnell ging. Bis mir dann klar wurde, dass hier vor lauter Kundenservice etwas gefährlich schief gelaufen ist.
(Wer erstmal selber rätseln will: AB HIER SPOILER !!!)
Also, spulen wir das Gespräch nochmal zurück und schauen uns das ganze nochmal aus der Perspektive der Bank an:
Jemand ruft an, der behauptet, ich zu sein. Das einzige, was er dazu wissen muss, ist mein Name, meine Bank und meine Kontonummer. Aber wer weiss das schon? Nun, zum Beispiel alle Geschäfte, bei denen ich mit ec-Karte bezahlt habe, alle Leute, denen ich eine Rechnung geschrieben habe, usw. Vielleicht stehe ich sogar praktischerweise auf einer der aktuell gehandelten illegalen Kontolisten für Lastschriftbetrüger.
Jeder, der sich auf diese Art als mich ausgeben kann, kann nun die Zusendung einer ec-Karte samt PIN veranlassen und erfährt netterweise gleich noch, wann sie an welche Adresse ausgeliefert wird. Er kann sich also gemütlich am entsprechenden Tag neben meinen Briefkasten stellen, sich eine gültige ec-Karte und die zugehörige PIN herausfischen (klassisch, also nicht “phischen”) und auf meine Kosten shoppen gehen. Mal schauen, ob sie bei der Bank immer noch so kundenfreundlich sind, wenn ich die Zahlungen anfechten will. Was passiert dann mit der Beweislast?
Das beste fällt einen leider immer erst nach dem Gespräch ein: Ich hätte ausprobieren sollen, ob man so a la “Ich zieh gerade um, schicken sie bitte die Karte an meine neue Adresse: <…>” auch noch die Zustellung einer gültigen ec-Karte samt PIN an eine beliebige Adresse veranlassen kann. Naja, vielleicht gibt die nächste Karte ja auch so schnell ihren Geist auf, dann probier ich das mal aus.