Bei meinem Wohnungseinzug habe ich den Vertrag mit den Stadtwerken übernommen. Ansonsten stehe ich dem Laden gegenüber wie dem Finanzamt: Ich muss bezahlen, da komm ich nicht drum rum. Ich versuche trotzem, den Kontakt auf ein Minimum zu beschränken.
Vor etwa zwei Jahren habe ich mal meine Finanzen auf Einsparpotentiale abgeklopft und mir fiel auf, das ich für Gas bezahle, obwohl ich nur einen Elektroherd habe – mich beschleicht bei Gasherden immer die irrationale Angst, das gleich alles in die Luft fliegt. Also flugs auf die Internetseite der Stadtwerke, um herauszusuchen wieviel es denn ungefähr kostet, einen Zähler demontieren zu lassen und den Vertrag auf Strom zu reduzieren.
Leider gibt (zumindest aber “gab”, vielleicht ist das inzwischen besser) die Stadtwerke-Seite solche Preisinformationen nicht her. Zumindest für einen Normalsterblichen wie mich war diese Information nicht auffindbar. Macht ja auch Sinn: Es könnte ja passieren, das alle nur noch für das bezahlen, was sie auch tatsächlich nutzen.
Irgendwann klickte ich dann auch auf den Link “Online-Service” und registrierte mich, in der vagen Hoffnung, vielleicht hier die ersehnte Information zu finden. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zu letzt, aber sie stirbt auch.
Nachdem die Stadtwerke meine Kundennummer abgefragt hatten bekam ich eine Bestätigungsmail, konnte mich einloggen und mußte als erstes mal mein Passwort ändern. Soweit alles normal. Die Information konnte ich nicht finden, dafür meine vergangenen Rechnungen und meine Vertragsdaten. Soweit, so gut. Ich vergaß, das ich mich jemals angemeldet hatte.
Bis ich eines Tages im November meine Spam-Mails durchging und eine E-Mail von den Stadtwerken dort vorfand. Die Mail teilte mir lapidar mit, ich sollte doch bitteschön meine Zähler ablesen und die Stände in den Online-Service eingeben. Ansonsten (Zitat): “Falls uns Ihre Zählerstandsmeldung bis zum genannten Termin nicht erreichen sollte, werden wir den Verbrauch aufgrund Ihrer Verbrauchsgewohnheiten der
Vorjahre schätzen. Daher kann es sein, dass Ihr zukünftig zu bezahlender Abschlagsbetrag zu hoch bzw. zu niedrig veranschlagt wird, was zu einer eventuellen Rückerstattung oder Nachzahlung führen könnte.”
Schon etwas verwunderlich, das man mich nur per Mail darauf aufmerksam macht. Dieser “Service” ist natürlich toll für die Stadtwerke, spart er ihnen doch eine Menge Geld, da die vom Kunden auszufüllende Postkarte und das Erfassen entfällt.
Nichts desto trotz begab ich mich heute morgen mit einem Zettel und einem Kugelschreiber bewaffnet in den Keller, las meine Zähler ab und begab mich zu einem Computer, um meine Zählerstände einzugeben. Dies stellte sich jedoch als schwieriges unterfangen heraus:
Die erste Begegnung mit der Internetseite der Stadtwerke ist eine freundliche und musikuntermalte blaue Seite, auf der zunächst der “Musik aus”-Knopf und dann auch der Bereich ONLINE-SERVICE schnell zu finden ist. Hoffnungsfroh wähle ich im Pull-Down Menü “Login” aus, und es öffnet sich auch ein Fenster:

Viel Vertrauen schafft das nicht, aber ich will nicht kleinlich sein. Eigentlich will ich schon gerne kleinlich sein, aber noch mehr will ich diese Sache hinter mich bringen und akzeptiere das Zertifikat temporär.
Eine neue, in blautönen gehaltene und dankenswerterweise nicht musikuntermalte Seite heißt mich beim Online-Service wilkommen. Während ich in meinen alten Mails noch meinen Benutzernamen suche läuft ein Video los. Nach ca. 3 Sekunden habe ich die Stop-Funktion des Videoplayers gefunden. Meine Benutzerkennung ist eine 10 Stellige-Zahl. Unmöglich zu merken und nicht zu ändern. Ich gebe meine Daten ein und hoffe, nun endlich meine notierten Zählerstände loszuwerden. Damit sind die Stadtwerke aber nicht einverstanden:
Das Kennwort muss also auch noch regelmäßig erneuert werden? Ohne mich! Ich gebe einfach mein altes Kennwort erneut ein!
Zähneknirschend wähle ich ein anderes Kennwort:
Das Programm pwgen unter Linux rettet mich und ich verfüge nun über ein Kennwort, das ich mir nicht merken kann und desshalb gleich sammt der 10-stelligen Benutzerkennung an mein Googlemail-Postfach geschickt habe, damit ich beides in einem Jahr vielleicht schnell genug finde, um dem Video zu entgehen.
Die so geschützten Seiten verfügen fast alle über lustige Java-Skript Fehler. Die Eingabe der Zählerstände gestaltet sich problematisch. Kommastellen kennen die Stadtwerke nämlich nicht -egal ob mit Punkt oder Komma eingegeben- und die Tatsache, das ich kein Gas verbraucht habe muss ich auch begründen. Praktischerweise sind alle Gründe, die sich die Stadtwerke vorstellen können in einem Drop-Down Feld versammelt. Den Grund “Ich habe keine Geräte, die Gas verbrauchen” gibt es selbstredend nicht.
Endlich ist es geschafft und ich bin so froh, für ein weiteres Jahr Ruhe vor den Stadtwerken zu haben, das ich mein Leid mit der Seite einem Kollegen klage. Der erzählt mir, das er sein Passwort vergessen hat, und sich seit zwei Wochen erfolglos um ein neues bemüht.
Liebe Stadtwerke: Das mit dem Online klappt schon, das mit dem Service solltet ihr noch verbessern!