Busfahren in der Provinz

“Wo bleibt das Positive? fragte einst Erich Kästner. Die Frage könnte aber auch von einem Leser dieses Blogs stammen. Immerhin geht es hier um die erlesensten Erfahrungen mit menschlicher Dummheit, Unflexibilität und Arroganz – Positives wirkt hier eher als Stilbruch, oder? Aber nun zu meinem Erlebnis:

Ich muss raus hier! “Hier”, das ist ein Provinzstädtchen, aus dem ich heute abend noch in die Oberrheinebene zurück muss. Und dies wie üblich mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Reiseauskunft gibt mir eine Zugverbindung aus, nebst passender Busanreise zum Bahnhof. Ein wenig Sorgen bereitet mir die sehr knappe Umsteigezeit am Bahnhof. Und die Tatsache, dass die nächste Verbindung zwei Stunden später geht.

Zur empfohlenen Zeit finde ich mich an der Bushaltestelle ein. Es handelt sich um eine Endhaltestelle, der Bus steht bereits in “heruntergefahrenem” Zustand da. Der Fahrer schraubt in aller Seelenruhe an seinem Sitz herum, den Fahrgast (mich), der vor der geschlossenen Tür wartet, nimmt er nicht zur Kenntnis. Dann steht er auf und schlendert gemächlich durch den Bus. Gründlich unterzieht er alle Sitze einer sorgfältigen Inspektion: Sind Verunreinigungen zu beseitigen? Ist die Rückenfederung ausreichend elastisch? Sind die umklappbaren Armlehnen leichtgängig? (Das Letzte bitte in Gedanken mit der Stimme von Egon Hoegen lesen.)

Ich stehe derweil vor der nach wie vor geschlossenen Tür und werde langsam etwas unruhig. Laut Fahrplanauskunft sollte sich der Bus bereits vor einer Minute in Bewegung gesetzt haben. (Hatte ich schon die knappe Umsteigezeit am Bahnhof erwähnt?) Ich beginne schon mal, einen Eintrag für Idioten-Notschlachten zu formulieren.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hat der Fahrer seinen Inspektionsrundgang beendet und kehrt nach vorne zurück. Jetzt bemerkt er mich, öffnet die Tür und wirft sich schwungvoll in seinen Fahrersitz. Ich frage nach, wie lange er bis zum Bahnhof brauche. Naja, so zehn Minuten. Wann denn mein Zug fahre? Ich nenne die Abfahrtzeit und er beruhigt mich: Um diese Tageszeit sei er mindestens drei Minute vorher da.

Dieses Städchen ist in der Tat sehr provinziell, denn anscheinend werden hier Sonntag abend um acht die Bürgersteige hochgeklappt. So bin ich der einzige Fahrgast – und das bleibt auch so. Auf der gesamten Strecke bis zum Bahnhof steigt kein einziger Mensch zu. (Und logischerweise auch keiner aus.) So braust der Bus ohne Halt durch bis zum Bahnhof, den wir tatsächlich drei Minuten vor Abfahrt des Zuges erreichen.

Noch aber gibt es keine Entwarnung, denn der Bussteig liegt noch einige hundert Meter hinter dem Bahnhof. Doch völlig überraschend bleibt der Busfahrer vor dem Bahnhofsgebäude stehen und öffnet die Türen.

Das nenn ich mal Kundenservice, und offensichtlich hat der Fahrer auch Ahnung von der Verkehrssituation. Intelligent, flexibel und freundlich – von daher kein Idiot, kein Notschlachtungsanwärter und somit völlig ungeeignet für einen Eintrag hier im Blog. Soviel zum Thema positiver Stilbruch.

Wo bleibt das Negative? Das kommt diesmal im Epilog: Als ich den Bahnsteig erreiche, leuchtet mir schon von der Anzeigetafel entgegen: Ca. 10 Minuten Verspätung.

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