KEIN TREIBERSUPPORT!!!

Oder: Warum es am Kaiserplatz mehr Latino-Streetgangs mit schweren Waffen braucht…

Ich bin ja jetzt unter die Pendler gegangen. Und in dem Zustand benötigt man irgendwann (=sehr bald) einen tragbaren Computer. Ich also los zum Händler, dort trage ich meine Wünsche vor: Schnell und aktuell soll er sein, und robust natürlich – schließlich soll er die nächsten Jahre mit mir pendeln. Der freundliche Verkäufer greift sogleich nach einem bereitliegenden Prospekt und empfiehlt mir ein geeignetes Modell. Es hört auf den Namen Samsung Aura SA11 T2300 Demao und bietet in der Tat eine ansprechende Ausstattung zu einem fairen Preis: 15,4-Zoll WXGA, Intel CPU Dual Core T3200, 2×2,0 GHz, Nvidia Grafikkarte, 4 GB Ram, WLAN bis 54MBit, 1000/100 Mbit Ethernet, … Als er seine Lobpreisungen unterbricht, um kurz Luft zu holen, komme ich dazu, meine dritte Anforderung zu artikulieren: Das Gerät soll unter Linux laufen.

In diesem Moment macht der Verkäufer eine wundersame Wandlung durch. Schlagartig mutiert er von einem freundlichen, auskunftsfreudigen und hilfsbereiten Menschen zu einem Roboter, dessen Sprachschatz auf den Satz “für Linux geben wir keinen Treibersupport” zusammengeschrumpft ist.

Naja, ich will ja auch gar keinen Treibersupport, Kernel compilieren kann ich, ich will ja nur wissen, ob ich dafür Treiber finden kann. “Für Linux geben wir keinen Treibersupport.” Ob ich wenigstens erfahren könne, was drin verbaut ist? Er beginnt, erneut die Featureliste vorzulesen: Intel CPU Dual Core T3200, Nvidia Grafikkarte, WLAN bis 54MBit, … Leider hilft mir das ohne die genauen Bezeichnungen oder PCI-IDs relativ wenig. Und welcher Chipsatz drin ist erfährt man gar nicht erst.

Aber vielleicht könne mir der Kollege von der Hardware-Reparatur weiterhelfen. Ich also rüber zu diesem Kollegen und frage nach Linux. “Für Linux geben wir keinen Treibersupport.” Er weiß natürlich auch nicht, was in diesem Rechner verbaut ist, und seine Allgemeinplätze a la “das meiste an Notebook-Hardware geht ganz gut mit Linux – aber zu diesem konkreten Modell kann ich ihnen nichts versprechen” sind auch nicht wirklich hilfreich. Einen Tip hat er allerdings: Wenn ich das Notebook per Web bestelle, habe ich nach Fernabsatzgesetz ein 14-tägiges Rückgaberecht, dann bekomme ich zumindest mein Geld wieder, wenn es mit Linux nicht läuft. (Mein Verdacht ist, dass sie sich da mit der vorinstallierten Software rauswinden können – s.u…)

Eigentlich will ich das Gerät aber gleich mitnehmen, also zurück zum Verkäufer. Angeregt von der Empfehlung des Technikers frage ich nach Rückgabemöglichkeiten. Ja, also das könnten sie nicht machen. Wieso? Naja, wegen dem vorinstallierten Vista, wenn der Rechner zum ersten Mal angeschaltet wird, dann laufe die Installation zuende und dann sei der Rechner schon personalisiert und dann könne man ihn nicht mehr zurücknehmen oder müsse das Vista neu aufspielen und überhaupt.

Und wenn ich den Rechner sofort von einer Linux-CD hochfahre, die komplette Festplatte als Image wegsichere und vor dem Zurückgeben wieder aufspiele, ohne das jemals von der Vista-Vorinstallation gebootet wird, sie also in jungfräulichem Originalzustand zurückgäbe? Ja, ehm, nein, das ginge auch nicht, weil … ehm … weil halt. Und außerdem sei das ja noch viel schlimmer, weil dann könne ich ja mit dem nichtpersonalisierten Vista-Image was ganz böses Unlizensiertes anstellen. Als ob ich das wollte… Mit ähnlich stichhaltiger Argumentation ist natürlich auch eine Überprüfung vor Ort im Laden mit einer Linux-CD ausgeschlossen.

Als letzte Rettung empfiehlt er einen Anruf bei der Samsung-Hotline. Im Übrigen hätten sie das Gerät heute eh nicht da, ich könne mich also in Ruhe entscheiden.

Ich also heim und rufe bei der Samsung-Hotline an. Überraschend schnell meldet sich ein freundlicher und hilfsbereiter Mensch am anderen Ende. Ich erkläre ihm, ich interessiere mich für dieses Notebook, wolle es aber gerne mit Linux betreiben. – “Für Linux geben wir keinen Treibersupport.” Danke, ja, aber ich will ja auch gar keinen Treibersupport, sondern nur wissen, was sie genau an Hardware verbaut haben, auf dass ich die Verfügbarkeit von Treibern prüfen kann. Ja, aber die Notebooks seien speziell auf das vorinstallierte Vista abgestimmt. Und außerdem sei  das Modell so neu, da hätten sie selber noch gar keine Details. Immerhin ist seine Featureliste etwas ausführlicher als der Prospekt, so dass er durch Analogieschlüsse zu anderen Modellen und allgemeinem Fachwissen relativ gut abschätzen kann, welche Hardware drin ist.

Schließlich finde ich noch unter einer ähnlichen Modellbezeichnung ein polnisches Linux-Forum, in dem ein lspci-Listing steht. Leider sind meine Polnischkenntnisse nichtexistent, aber eine Suche über die PCI-IDs sieht vielversprechend aus. Zusammen mit der Auskunft von der Samsung-Hotline beschließe ich, das Experiment zu wagen und begebe mich wieder zum Laden.

Tja, das Modell sei immer noch nicht da, voll der Renner, vielleicht würden sie in zwei Wochen nochmal eine Lieferung von Samsung bekommen, aber da könne er auch nichts versprechen. Immerhin habe Samsung schon das Nachfolgemodell, welches sie auch vorrätig hätten, ob ich daran Interesse hätte.

Nun, erkläre ich, das Notebook solle aber unter Linux betrieben werden. – “Für Linux geben wir keinen Treibersupport.”

In einem Akt bewundernswerter Selbstbeherrschung unterdrücke ich den starken inneren Drang zur argumentationsunterstützenden Gewaltanwendung und erkläre ihm ganz lieb und freundlich, dass ich auch gar keinen Treibersupport brauche, sondern nur wissen wolle, was für ein Gelump in der Kiste verbaut sei, auf dass ich usw. usf… Er greift nach dem Prospekt und beginnt – für mich völlig überraschend – die Featureliste vorzulesen. AMD-CPU (bedeutet: anderer Chipsatz), ATI-Grafikkarte (Argh – ATI und Linux…), nur 3 GB RAM (Weniger RAM = Nachfolgemodell? – Jaaa, die meisten Leute verwenden 32-bit-Betriebssysteme, da könne man eh nur 3GB nutzen…) usw. usf. Ein Exemplar hätten sie noch da, aber dieses Gerät sei auch sehr gut nachgefragt.

Ich wäge kurz meine Optionen ab: Meine bisherige Kompatibilitätsrecherche ist weitgehend hinfällig, ich darf also wieder von vorne anfangen: Internet, Samsung-Hotline usw. Bis ich damit durch bin, haben sie das eine Exemplar wahrscheinlich verkauft, neue Lieferung kommt in zwei Wochen, aber Samsung hat schon wieder ein neues Exemplar usw. Eigentlich wollte ich aber in diesem Leben noch ein Notebook erwerben.

Halt! Muss es denn unbedingt Samsung sein? Vielleicht sind andere Hersteller aufgeschlossener gegenüber Linux? – Nein, die seien alle auf Vista ausgerichtet und überhaupt und grundsätzlich gäbe es für Linux keinen Treibersupport.

Ich frage mich (und ihn), wie ich unter diesen Bedingungen meine Marktmacht als bewusster Konsument ausspielen soll. Er zuckt mit den Schultern. In diesem Moment kann ich die Gefühle von Michael Douglas an der Hamburger-Theke aus “Falling Down” bestens nachvollziehen. Nur leider habe ich keine Sporttasche mit großkalibrigen Automatikwaffen dabei.

Immerhin hat er etwas Mitleid, und da im Laden gerade nichts los ist, dreht er mir seinen Bildschirm rum und schiebt die Tastatur rüber, auf dass ich anhand der (dürftigen) Featureliste selber im Internet nachgucken darf. Das Ergebnis ist nicht richtig ermutigend, aber immerhin auch nicht völlig abschreckend. Er bestätigt mir nochmal, dass meine Alternativen darin bestehen, entweder auf ein Notebook zu verzichten oder Schrödingers Katze im Sack zu kaufen. (So lange man den Sack nicht aufmacht, weiss man nicht, ob man das System zum Leben bekommt, oder ob es eine Totgeburt ist – und in dem Moment ist der Originalzustand zerstört und das Geld weg.)

Da ich das Notebook brauche und es offenbar auch egal ist, wann und welches Modell ich kaufe, weil es immer ein Lotteriespiel ist, lasse ich meine Prinzipen sausen und kaufe.

Epilog

Ubuntu 8.04 erkennt den Chipsatz, das Touchpad funktioniert, die Grafik läuft im VESA-Modus mit der falschen Auflösung. Es wird aber gleich der proprietäre ATI-Treiber angeboten, der die Hardware erkennt und mit der richtigen Auflösung ansteuert. Sowohl Ethernet als auch WLAN werden nicht erkannt, allerdings sind die passenden Treiber schnell gefunden, mit USB-Stick auf den Notebook kopiert und kompiliert.

Ergebnis: Die Katze aus dem Sack lebt, ich habe ein voll funktionsfähiges Samsung R505 Aura Domah unter Linux. Und das … ganz ohne Treibersupport!

Nachtrag

Der Audiotreiber in der Ubuntu-Version kommt mit dem Umschalten auf Kopfhörer nicht klar. Wenn man den Kopfhörer aufhat merkt man das natürlich nicht – und so habe ich den halben Zug mit der aktuellen Scrubs-Folge beschallt. Der aktuelle Alsa-Treiber liefert im Prinzip das gewuenschte Ergebnis. Allerdings muss man bei der Installation tricksen, denn Ubuntu verwendet die Treiber unter /lib/modules/<Version>/ubuntu, während Alsa nach /lib/modules/<Version>/kernel installieren will.

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