Ionen notschlachten

Ich vermisse meinen Föhn. Schön ist das nicht – und irgendwie ungewöhnt, ungeföhnt rumzulaufen.

Ok, schlechte Wortspiele beiseite, kommen wir zur Story. Ich brauche also einen neuen schönen Föhn. (Das war der letzte, versprochen.) Also fahre ich heute etwas früher von der Arbeit heim, um unterwegs noch einen Föhn zu erstehn. (Anderer Vokal, zählt nicht!)

Das erste, was mir an föhnverdächtigen Geschäften über den Weg läuft, ist ein Ich-bin-doch-nicht-blöd-Markt, also rein da. Weit komme ich nicht, denn beim Betreten(!) des Blöd-Markts geht die Alarmanlage los. Sofort geht ein Wachmann auf mich los. Blitzartig durchforsche ich mein Gewissen, was ich zuletzt geklaut haben könnte, das hier die Alarmanlage auslöst – aber mir fällt nichts ein.

Aber dies ist der Moment, wo man endlich einmal die Vorzüge eines Physikstudiums voll ausspielen kann: Diese Alarmanlagen basieren ja letztendlich darauf, dass an den gesicherten Gegenständen Metallstreifen angebracht sind. Diese komischen Aufsteller am Eingang produzieren nun Schwingungen einer bestimmten Frequenz und die Metallstreifen machen sich durch Resonanz bemerkbar. Also lässt sich die Problemstellung umformulieren von “was habe ich geklaut” zu “was hat resonierende Metallstreifen von einigen Zentimetern Länge”.

Das einzige, worauf diese Beschreibung zutrifft, ist mein Notebook (ja, genau der ohne Treibersupport), den ich von der Arbeit mit dabei habe. Also trete ich von der Alarmanlage zurück bis sie verstummt und lasse dann am ausgestrecken Arm meine Notebooktasche zwischen den Aufstellern hindurchpendeln. Die Alarmanlage trötet wieder los.

Der Wachmann zeigt Verständnis und bietet mir an, meinen Notebook bei ihm am Eingang zu lassen. Ich denke kurz an die bösen Unterstellungen, wonach bei den Wachdiensten diejenigen arbeiten sollen, bei denen es intellektuell nicht für eine anständige kriminelle Karriere gereicht haben soll und quittiere dieses Angebot innerlich mit einem herzhaften Lachen. In der Außenkommunikation lehne ich dankend, aber bestimmt ab und betrete unter dem Hupen der Alarmanlage und den befremdeten Blicken anderer Kunden den Laden mit Notebook.

Aber nun zurück zu meinem eigentlichen Anliegen: Dem Föhn. Die entsprechende Abteilung ist schnell lokalisiert und ich darf eine exquisite Auswahl dessen bewundern, was die letzten zwanzig Jahre Föhnforschung und -entwicklung hervorgebracht haben.

Und diese Wortwahl ist mitnichten übertrieben, denn groß sticht ein Feature hervor, mit dem alle Hersteller versuchen, sich von der Konkurrenz, die es ebenfalls anbietet, abzuheben: Ionentechnologie.

Was bitte ist “Ionentechnologie”?! frage ich mich, der ich, weltfremd, wie ich nun mal bin, die letzten zwanzig Jahre Föhnforschung und -entwicklung verschlafen habe. Die einzige Ionentechnologie, die ich kenne, ist ein experimenteller Raumschiffantrieb. Nun gut, die aufgebauten Föhns sehen auch tatsächlich eher aus, wie Prototypen der NASA auf der Startrampe: Aerodynamisch geschwungene Formen, riesige Gasaustrittsdüsen, Ablenkruder, … Nur halt in quietschpink. In sowas will ich mich nicht auf den Mond schießen. Eigentlich will ich mich gar nicht auf den Mond schießen, sondern nur die Haare waschen, ohne eine Lungenentzündug zu riskieren.

Die Verkäuferin kann es mir auch nur sehr grob erklären: “Das ist, damit die Haare nicht so aneinander kleben …” Ihrem ergänzenden Satz angesichts meines ob dieser haarsträubenden Ausführungen etwas irritierten Blicks “… aber das ist eigentlich nur für Frauen interessant” will ich dann aber nicht widersprechen und kaufe ein Exemplar in anthrazit-metallic-grau ohne Ionenantrieb.

Jetzt aber hurtig zur Kasse und den Föhn bezahlen. Natürlich habe ich mein Notebook immer noch dabei und so trötet die Alarmanlage beim Verlassen des Ladens wieder los. Die Kunden schauen wieder verschreckt auf und der Wachmann kommt wieder angestürmt. Er erkennt mich, bittet mich, ihm die Notebooktasche zu geben (was ich widerwillig tue, sie jedoch keine Sekunde aus den Augen lasse) und dann ohne das Notebook durch die Alarmanlage zu gehen. Die bleibt stumm, und so nehme ich meine Notebooktasche wieder in Empfang und kann endlich den Laden verlassen.

Ja, und nächste Woche, da erklär ich Euch, wie man mit einer leeren Notebooktasche und einem 4,376 cm langen Metallstreifen einen Blöd-Markt betritt und mit einem niegelnagelneuen Notebook wieder raus kommt.

Hinterlasse eine Antwort