Neulich im T-Punkt

Seit ich mein Notebook habe, verlieren lange Zugfahrten etwas ihres Schreckens. Anstatt sinnlos herumzusitzen und die vorbeirasende Landschaft anzustarren oder zu versuchen, die Gespräche mitreisender Idioten zu ignorieren, kann man durchaus vernünftige Dinge tun. Mails schreiben, Texte korrekturlesen, Blogeinträge verfassen, …

Problematisch wird es, wenn man die Mails auch verschicken, die Blogeinträge auch publizieren oder zu den Texten inhaltlich recherchieren möchte. Denn dann braucht man einen Internetzugang. Zwar gibt es  gelegentlich in Bahnhofsnähe freundliche (oder ahnungslose) Anwohner, die ein unverschlüsseltes WLAN betreiben und das “WLAN im Bahnhof” löst auch ohne Anmeldung zumindest DNS-Anfragen auf, aber auf Dauer ist das nicht das Wahre.

Also versuche ich, mich über Angebote für mobiles Internet zu informieren und arbeite dazu die verschiedenen Netzbetreiber ab. Mein erster Besuch gilt einem magentafarbenen Laden…

Ja, erfahre ich dort, natürlich hätten sie ein mobiles Internet-Flatrate-Angebot. Nennt sich web’n walk connect L, kostet 39,95 monatlich. Und sie hätten da eine großartige Aktion, bei der ich für einmalig einen Euro ein Notebook dazubekäme.

Ich deute auf meine umgehängte Notebooktasche und erkläre, dass ich dessen nicht bedürfe, da ich ja bereits stolzer Besitzer eines Notebooks sei. (Dass das großzügig angebotene Notebook mir technisch nicht ganz den Stand der Technik darzustellen scheine und ich von daher in dieser Dreingabe wohl eher den Versuch einer kostenneutralen Elektronikschrottentsorgung sähe, vermeide ich an dieser Stelle zu erwähnen. Ebenso wie – eingedenk einschlägiger Erfahrungen – meinen Wunsch, meine Gerätschaften mit Linux zu betreiben.)

Ein kundenorientierter Verkäufer hätte dies zur Kenntnis genommen und mir hinfort Angebote ohne Notebookdreingabe unterbreitet. Aber nicht dieser: Ja, das Dreingabenotebook könne ich ja weiterverkaufen. Oder, mischt sich eine zweite Verkäuferin ein, das sei doch ein tolles Weihnachtsgeschenk.

Da ich erstens alle Weihnachtsgeschenke bereits habe und zweitens üblicherweise meine Verwandten nur ungern mit Elektronikschrott beschenke, lehne ich noch einmal ab und versuche, das Beratungsgespräch explizit dahingehend zu steuern, dass ich keine sinnlosen Dreingraben wünsche. Hui, da fühlten sie sich persönlich angegriffen. Schließlich würden sie sich hier extra Mühe geben, mir ein Notebook zum quasi geschenkten Preis von einem Euro (plus Mindestvertragslaufzeit mal monatlicher Grundgebühr) zugänglich zu machen.

Aus Sorge, ich könne diese Wohltat vielleicht inhaltlich nicht ganz nachvollzogen haben, verschwindet der Verkäufer kurz im Hinterzimmer, kommt mit einem der besagten Notebooks (von mir der Übersichtlichkeit halber im Folgenden mit “Elektronikschrott” abgekürzt) wieder und versucht, mir das großzügige Angebot noch einmal quasi mit Handpuppen vorzuspielen. Ich weiß nicht, in welchem Verkaufsseminar er das gelernt hat, aber mich beeindruckt es ehrlich gesagt nicht wirklich. Eher hab ich den Eindruck, dass er mich für etwas doof hält, was das Verkäufer-Kunden-Verhältnis tendenziell weiter abkühlt.

Vorläufig finde ich mich damit ab, den Elektronikschrott mitzunehmen und über eBay weiterzuverklappen und frage nach dem, was mich wirklich interessiert: Wie ich mit meinem Notebook denn den mobilen Internetzugang nutzen könne?

Ja, deswegen sei das Notebook (er meinte den Elektronikschrott) so toll, weil der habe schon einen Sim-Karten-Leser eingebaut. In mir steigt wieder einmal der Drang nach argumentationsunterstützender Gewaltanwendung auf, aber noch kann ich mich beherrschen. Stattdessen begebe ich mich auf seine Ebene herab und spiele das Handpuppenspiel mit, indem ich den Elektronikschrott demonstrativ beiseite stelle und noch einmal nachfrage, wenn ich den Elektronikschrott über eBay verklappt oder meinem verhassten Stiefcousin vierten Grades geschenkt hätte, wie ich denn mit meinem (demonstratives Draufzeigen) Notebook ins Internet käme.

Ok, mit dieser Handpuppenunterstützung dämmert auch ihm langsam, dass ich den Elektronikschrott nicht will. Er bleibt auf dieser Argumentationsebene, greift sich einen UMTS-Stick und legt ihn vor mir auf den Tresen. Auf dem Blatt Papier, auf dem er zuvor schon den Preis für die Mobil-Datenflat und den Elektronikschrott notiert hat, ergänzt er monatlich fünf Euro.

Moment mal. Ich will nur den UMTS-Stick, ein Stück Hardware. Wieso dann bitte monatlich abdrücken? – Ja, da sei ja eine Sim-Karte und ein Vertrag dabei. Und natürlich könne ich mir auch anderswo einen UMTS-Stick kaufen, aber die würden 170 Euro und mehr kosten. Und wenn man dann fünf Euro mal 24 Monate rechne, käme man deutlich günstiger weg. – Aber wenn ich nach der Mindestvertragslaufzeit trotzdem weiter den Stick benutzen will? Dann zahle ich ja in der Summe mehr. – Nein, ich könne ja den Vertrag zum Stick kündigen, dann könne ich den Stick behalten, ich müsse dann nur die Sim-Karte aus dem Elektronikschrott in den Stick einlegen. Wenn ich wolle, könne man die Kündigung auch jetzt sofort vornehmen und den Vertrag auslaufen lassen, dann müsse ich in 24 Monaten nicht mehr dran denken.

Langsam wird mir das alles zu wirr und absurd und ich bitte ihn, das nochmal übersichtlich aufzuschreiben. Also hätten wir: Den mobilen Datenflat-Vertrag (39,95/Monat), den Elektronikschrott (1,- einmalig) und den UMTS-Stick (5,-/Monat). Und dann fällt ihm ein, der koste außerdem noch einmalig 39,95, was seine vorteilhafte Rechnung von vorher nicht mehr ganz so vorteilhaft aussehen lässt. Handpuppenkonform wird alles wieder schön vor mir aufgestapelt.

Ok, frage ich, und angenommen, ich wolle mir die Elektronikschrottentsorgung ersparen (stelle das Ding wieder demonstrativ beiseite) und auch das Ein-Euro-Sonderangebot nicht annehmen (streiche demonstrativ die Zeile auf seinem Zettel durch)?

Seine Kollegin springt ihm nochmal zur Seite und versucht noch einmal, mir wärmstens den Elektronikschrott ans Herz zu legen, schließlich bekäme ich damit ja gratis ein Notebook und könne das ja noch gewinnbringend weiterverticken. Und ein dritter Kollege macht mir auch noch einmal klar, dass die beiden mir ja nur etwas Gutes tun wollen.

Das lässt mir das ganze aber nicht vertrauenserweckender erscheinen und so bestehe ich darauf, das Ein-Euro-Sonderangebot zu streichen.

Ohne es zu wissen, habe ich ihn damit in die Ecke gedrängt. Denn nun kann er nicht mehr anders, als zuzugeben, dass ich dann den Stick ohne Aufpreis zu meinem Vertrag dazubekäme.

Und an dieser Stelle musste ich erstmal tief Luft holen.

Um das nochmal zu rekapitulieren: Der Typ hat mich eine Viertelstunde lang zugetextet, nur um mir anstelle dessen, was ich von ihm wollte, Schrott anzudrehen, den ich ausdrücklich nicht wollte und dann das, was ich eigentlich wollte, nochmal kostenpflichtig draufzusatteln. Und dann auch auch noch versucht, mich für blöd zu verkaufen, als ich das nicht schlucken wollte.

Naja, es gibt ja noch mehr Anbieter, mal schaun, was die so drauf haben…

Hinterlasse eine Antwort